In den meisten (Dienstleistungs-)Branchen wird es immer schwieriger, qualifiziertes und motiviertes Personal zu finden. Wie sieht es bei den awm aus?

Christian Wedding: Davon sind auch die awm nicht ausgenommen und zwar in nahezu allen Arbeitsbereichen. Grundsätzlich sind wir ein attraktiver Arbeitgeber, was sich nicht zuletzt auch darin zeigt, dass die Fluktuation sehr gering ist. Viele Mitarbeitende gehören schon seit mehreren Jahrzehnten zum awm-Team. Wenn aber Stellen neu zu besetzen sind, wird es zunehmend schwieriger, geeignetes Personal zu finden. Das betrifft unsere Kernarbeitsfelder Abfallsammlung und -verwertung sowie Stadtreinigung genauso wie zum Beispiel Berufe in der IT und anderen technischen Bereichen oder auch den Ausbildungsbereich.

 

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Christian Wedding: Das muss man sicherlich differenziert betrachten. Schauen wir uns zunächst den Bereich der Ausbildung an. Wir haben hier die gleichen Schwierigkeiten wie Privatunternehmen. Nach Daten der Bundesagentur für Arbeit kamen im Juli 2022 auf 100 gemeldete Ausbildungsplätze nur 77 Bewerberinnen und Bewerber. Genannt werden dafür zwei maßgebliche Gründe: der demografische Wandel und die Corona-Pandemie, die lange Zeit ja Berufsorientierungsprogramme, Ausbildungsmessen und auch Schnupperpraktika in Unternehmen unmöglich gemacht hat. Viele junge Menschen entscheiden sich aufgrund fehlender Orientierung dann erst einmal dazu, weiter zur Schule zu gehen. Die Unternehmen und Betriebe sind jetzt stärker als je zuvor gefragt, sich bei den potenziellen Auszubildenden zu bewerben.

Und wie sieht es im Bereich der bereits ausgebildeten Fach- und Arbeitskräfte aus?

Christian Wedding: Auch hier stehen Unternehmen in einer immer stärkeren Konkurrenz im Kampf um gutes Personal. Der demografische Wandel wirkt sich schon seit einigen Jahren spürbar aus. Aktuell ist die Prognose, dass jede bzw. jede dritte Beschäftigte im öffentlichen Dienst innerhalb der nächsten zehn Jahre in Rente geht. Schon jetzt fehlen uns gut qualifizierte Nachwuchskräfte. Attraktive Stellen, auch Leitungspositionen, für die wir vor wenigen Jahren noch aus einer Fülle von Bewerberinnen und Bewerbern hätte auswählen können, reizen heute oft nur zwei oder drei Kandidaten und Kandidatinnen. Wenn diese dann ausreichend gut qualifiziert sind und zum Unternehmen passen, haben Sie Glück.

 

Denken Sie, dass der öffentliche Dienst es bei der Akquise von gut qualifiziertem Personal schwerer hat als private Unternehmen?

Christian Wedding: Ein Punkt ist sicher das relativ starre Tarifsystem. Zwar ist die Bezahlung längst nicht mehr bei allen Bewerberinnen und Bewerbern der ausschlaggebende Grund dafür, einen Job anzunehmen oder nicht. Aber natürlich spielt der Verdienst immer auch eine Rolle. Und auch, wenn die Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst seit 2009 im Allgemeinen sogar höher als in der Gesamtwirtschaft sind und die Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst spürbare Reallohnzuwächse erfahren haben, sind private Unternehmen bei Gehaltsverhandlungen eben nicht an ein Tarifsystem gebunden. Wobei – das ist die andere Seite der Medaille – das auch nicht immer ein Vorteil für die Beschäftigten ist. Die Tariflöhne der Mitarbeitenden des gewerblichen Bereichs in Kommunalunternehmen sind oftmals höher als das Gehalt für denselben Job in der privaten Branche.

Welche Stärken hat der öffentliche Dienst, die vielleicht noch gar nicht stark genug von potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern wahrgenommen werden und welche sind das ganz konkret bei den awm?

Christian Wedding: Auf alle Stärken einzugehen, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Dass die Arbeit im öffentlichen Dienst eine sichere Arbeit mit Planungssicherheit für das eigene Leben ist, ist bekannt. Mindestens genauso wichtig ist aber meiner Meinung nach, dass die Arbeit sinnstiftend ist. Die moderne Daseinsvorsorge in den Städten und Gemeinden sorgt für hohe Lebensqualität – und das auch in Krisenzeiten mit hoher Stabilität. Die Corana-Pandemie und die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Wirtschafts- und Energiemärkte sind hier aktuelle Beispiele.

Auf rein lokaler Ebene ist sicher auch das jetzt rund acht Jahre zurückliegende Starkregenereignis in Münster dafür ein gutes Beispiel. 10.000 Tonnen Unwettersperrgut innerhalb von drei Wochen von der Straße zu schaffen – das haben wir nur mit der starken Unterstützung unserer Partner aus der kommunale Familie geschafft. In den vergangenen Jahren konnten wir uns zum Beispiel in Hagen und Wuppertal mit entsprechender Hilfe unsererseits nach Starkregenereignissen dort revanchieren. Das zeigt, dass auf die kommunale Familie Verlass ist.

Und den Herausforderungen des Klimawandels könne wir nur gemeinsam begegnen, wenn wir erfolgreich sein wollen. Um einen weiteres großes Plus zu nennen: Kommunale Unternehmen arbeiten gemeinwohlorientiert – also für alle Menschen und für die Umwelt – nicht für das eigene Portemonnaie.

Das alles sind nur Beispiele, die um weitere Stärken des öffentlichen Dienstes wie moderne Arbeitsplätze, attraktive Arbeitsbedingungen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und gute Qualifizierungsmöglichkeiten ergänzt werden müssen.

Was unternimmt die kommunale Branche, um Personal zu gewinnen und wie sieht es ganz konkret bei den awm aus?

Christian Wedding: Wir müssen das Image des öffentlichen Dienstes weiter stärken, die vielen Vorzüge gemeinsam – also mit gebündelten Kräften – noch deutlicher zeigen und in der Ansprache moderner werden. Ob Social Media-Kanäle oder Karriereplattformen wie z.B. LinkedIN: Wir müssen als attraktive Arbeitgeber jenseits der klassischen Stellenanzeigen sichtbar werden. Content muss aufmerksamkeitsstark und gleichzeitig informativ sein. Am Beispiel einer Kampagne: Der Verband kommunaler Unternehmen hat gerade die Initiative „KOMMUNAL KANN“ zur Arbeitgebermarke entwickelt. Im Fokus stehen die „Alleskönner“, sprich Menschen, die durch ihre Arbeit in kommunalen Unternehmend Deutschland am Laufen halten. Das sind zum Beispiel Mitarbeitende von Abfallwirtschaftsbetrieben, Stadtwerken, der Wasserwirtschaft und der Energiewirtschaft. Eine großartige Kampagne, an der auch wir uns beteiligen werden. Und wir müssen Menschen in unserer Branche noch stärker zusammenbringen. Ein gutes Beispiel ist das bundesweite und ebenfalls vom VKU initiierte Netzwerk „VKU-DU“, dass Nachwuchskräften in der Kommunalwirtschaft zum Beispiel die Möglichkeit zur Weiterentwicklung, zum Austausch untereinander und auch mit der Politik bietet. Grundsätzlich setzt sich die Branche stark dafür ein, die eben genannten Vorteile des öffentlichen Dienstes weiter zu stärken.

Und natürlich ist jedes einzelne kommunale Unternehmen gefragt, gute Arbeitsbedingungen und eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der sich die Menschen wohl fühlen und motiviert arbeiten. Wir haben bei den awm vor rund fünf Jahren unser betriebliches Gesundheitsmanagement ausgebaut und mit externen Unternehmen neue Angebote für den Erhalt bzw. die Wiederherstellung der körperlichen und psychosozialen Gesundheit geschaffen. Das ist ein wichtiger Baustein von vielen.

In Kürze werden wir ein neues Onboarding-Konzept erarbeiten, um neuen Mitarbeitenden einen noch besseren Einstieg bei uns zu bieten. Wir wollen die arbeitsbereichsübergreifende Zusammenarbeit stärken. Wir haben eine Mitarbeitenden-App, über die Mitarbeitenden wichtige Infos jederzeit abrufen können und die Möglichkeit zum Austausch untereinander unabhängig vom Standort ihres Arbeitsplatzes haben. Zwei Mitarbeitendenwerkstätten – zur MA-App und für den Bereich Nachhaltigkeit – gibt es schon, weitere sollen folgen.

Die Klammer bei allen Zielen und unter Berücksichtigung aller bereits genannten Stärken der kommunalen Branche und unseres Unternehmens ist für uns: Wir wollen die Einbindung jedes einzelnen Mitarbeiters und jeder einzelnen Mitarbeiterin in die Entwicklung der awm stärken und agiles Arbeiten vorantreiben.

Herr Wedding, vielen Dank für das Gespräch!